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rechts oben (rote Schrift): Für Berlin Ein Aufbruch für die Stadt. Eine Koalition für Erneuerung. Ein Regierungsprogramm für Alle. (in roter Schrift): sozial, innovativ, verlässlich und nachhaltig. Fußzeile: Koalitionsvertrag (schwarze Schrift) 2023-2026 (rote Schrift) CDU Berlin-SPD (Logos der beiden Parteien) darunter zentriert (schwarze Schrift) : Das Beste

Der Check zum Koalitionsvertrag CDU-SPD 2023-2026: Inklusion und Senior*innen-Politik

Eine knappe Mehrheit der SPD-Mitglieder, die sich an der Abstimmung beteiligt hatten, sprach sich für den Abschluss des Koalitionsvertrags mit der CDU aus. Mit der Wahl des neuen Regierenden Bürgermeisters und dem Antritt des neuen Senats ist die Koalition nun besiegelt. Ein genauerer Blick lohnt sich jetzt also: Was steht in diesem Vertragswerk der künftigen Berliner Koalitionäre zu den Themen Inklusion und Senior*innen? Ist der Koalitionsvertrag das Papier wert, auf dem er gedruckt ist? Wir haben nachgelesen.

Was CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zum Thema Inklusion schreiben, klingt vollmundig, bleibt aber vage. Vollmundigen Versprechungen müssen konkrete Maßnahmen folgen. So versprechen CDU und SPD die Errichtung barrierefreier Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen. Das sind wichtige Einrichtungen für behinderte Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind. Wichtige Fragen lässt der vorliegende Koalitionsvertrag jedoch offen: Was verstehen die Autor*innen dieses Texts unter „Barrierefreiheit“? Wie steht es um die Versorgung mit Assistenz und Hilfsmitteln? Ist die Kommunikation in Gebärdensprache, Leichter Sprache oder mit anderen geeigneten Kommunikationshilfen gesichert (§§ 13+15 LGBG)? Erst wenn klar ist, dass für jede Frau Kommunikationsformen und -mittel in der für sie geeigneten Weise zur Verfügung stehen, darf man zurecht von barrierefreien Einrichtungen sprechen. 

Ähnlich sieht es beim Thema Wohnen aus: Die Koalition aus CDU und SPD verspricht den Bau barrierefreier Wohnungen voranzutreiben. Es gibt da aber einen Haken: Die Orientierung an der DIN 18040-2 ist irreführend: Barrierefreiheit von Wohnraum meint, dass dieser für alle nutzbar ist. Rollstuhlgerechtigkeit ist hier kein „Ad-On“, sondern gehört selbstverständlich dazu. Das gilt auch für Wohnungen für Senior*innen: Jeder Mensch soll so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen können. Barrierefreiheit, die diesen Namen auch verdient ist hier ein Muss.

Zumindest etwas konkreter wird es beim Thema Nahverkehr: CDU und SPD versprechen mehr Barrierefreiheit im Nahverkehr und verstehen darunter vor allem mehr funktionierende Aufzüge und Rampen. Das ist sicher ein Baustein auf dem Weg zu mehr Barrierefreiheit – aber eben nur einer. Damit Barrierefreiheit „gelebte Realität werden“ kann, braucht es verschiedene Maßnahmen wie die konsequente Einführung taktiler Leitsysteme, (akustisch) verständlicher Informationen zu Haltestellen und gegebenenfalls zu Umleitungen, Beachtung des Zwei-Sinne-Prinzips – um nur einige zu nennen.

Das Thema Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist ein steter Quell des Unmuts: CDU und SPD wollen die Auftragsvergabe an WfbM erleichtern. Damit wird ein exkludierendes System gestärkt. Diese sind nicht Teil des inklusiven Arbeitsmarkts. Zu einer inklusiven Gesellschaft gehört die Öffnung des Arbeits- und Ausbildungsmarkts für alle Menschen, sowohl im öffentlichen als auch im privatwirtschaftlichen Sektor. Mit Inklusionsbetrieben und der Inklsusion in einen offenen Arbeitsmarkt muss eine starke Personenzentrierung einhergehen, damit Inklusion im Arbeitsleben gelingen kann. Voraussetzung für einen inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist inklusive Bildung – und das nicht nur im Schulbereich, sondern auch an den Hochschulen: CDU und SPD setzen auf modernes Lehren und Lernen an Berliner Hochschulen. Was aus lerntheoretischer Sicht begrüßenswert ist, darf die Barrierefreiheit nicht ignorieren. Nur durch barriere- und diskriminierungsfreies Lehren und Lernen wird die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Studierender ermöglicht. Und auch im Bereich der Digitalisierung der Hochschulen muss Barrierefreiheit weiter vorankommen, damit unsere Berliner Hochschulen zu einem inklusiven Lern- und Arbeitsort werden.

Bleiben wir noch kurz bei der Digitalisierung: Auch der Internetauftritt von Senat und Senatsverwaltung muss barrierefrei gestaltet werden. Dazu gehört auch, dass Informationen auch in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache angeboten werden.

Inklusion ist auch im Gesundheitswesen ein Menschenrecht. Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten das „Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ anzuerkennen. CDU und SPD bleiben an dieser Stelle vage. Und: Mit einem barrierefreien Umbau ist es nicht getan. Zu Barrierefreiheit gehört mehr als nur bauliche Maßnahmen. Barrierefreie Kommunikationsformen sind gerade im Gesundheitswesen von herausragender Bedeutung.

CDU und SPD wollen „Kultur für alle“ und sprechen von „Inklusion in der Kultur- und Kreativwirtschaft“. Offen bleibt, wen sie damit meinen: Die Kunst- und Kulturschaffenden selbst? Die Adressat*innen von Kunst und Kultur? Wichtig ist, dass Inklusion hier wirklich alle im Kunst- und Kulturbereich meint. Und warten wir ab, wie sich CDU und SPD einen Sportpark für Alle wirklich vorstellen. Eine Sportanlage, die diesen Namen wirklich verdient, muss nach dem Universal Design entwickelt sein.

Des Weiteren wollen CDU und SPD den Vorrang der Eingliederungshilfe wahren. So richtig und wichtig es ist, dass genuine Leistungen der Eingliederungshilfe nicht systematisch durch Pflegeleistungen ersetzt werden, so unklar ist es auch, was die Vertragsparteien unter „Vorrang der Eingliederungshilfe“ verstehen. Und: Widerspricht dies nicht auch der Sozialgesetzgebung, die den Nachrang der Eingliederungshilfe betont (§ 91 SGB IX)?

Altersarmut wirksam bekämpfen: Dazu gehören gute Präventionsarbeit und soziale Beratung.
 Wie aus der Antwort der Senatsverwaltung auf die schriftliche Anfrage zum Thema Soziale Beratung gegen Altersarmut für Senior*innen von Taylan Kurt und Catrin Wahlen hervorgeht, gibt es beim Thema Beratung in den Bezirken noch viel Luft nach oben. Die Koalition aus CDU und SPD ist hier gefordert.

Demokratie lebt von einer breiten Beteiligung aller Menschen. Aus diesem Grund ist die wirksame Beteiligung von Senior*innen unablässig. Wirksam bedeutet hier: Initiativen und Entscheidungen müssen auch gehört werden und in politische Entscheidungen münden. Prüfen und Evaluieren allein reicht hier nicht! Es müssen konkrete Taten folgen.

Ähnlich sieht es mit den Möglichkeiten zur politischen Beteiligung der Menschen mit Behinderungen aus: Zwar will die Koalition den Landesbehindertenbeirat und die bei der Landesbehindertenbeauftragten angesiedelte Schiedsstelle stärken. Wie dies aber genau geschehen soll, wird im Koalitionsvertrag nicht ausgeführt. Zudem hat der Landesbeirat gemäß § 26 des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) nur beratende und unterstützende Funktion. 

Eine andere Beteiligungsform fehlt völlig: Das Berliner Behinderten Parlament (BBP) Die Grüne Inklusionspolitikerin Catrin Wahlen findet: „Wir haben mit dem BBP eine noch junge Institution, die sehr gute Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen bietet. Als wir 2021 den Koalitionsvertrag geschlossen haben, stand es noch in den Startlöchern. Jetzt aber ist das BBP dabei, sich als eigenständige Institution zu etablieren. Aus dem Gremium kommen Anträge, die Inklusion in unserer Stadt wirklich voranbringen können, wenn sie denn Beachtung finden. Die Koalition aus CDU und SPD muss dieser Stimme Gehör schenken.“

„Von guter Inklusions- und Senior*innenpolitik profitieren schließlich alle in Berlin“, ist Catrin Wahlen überzeugt. „Vollmundigen Versprechungen müssen dann aber auch konkrete und wirksame Taten folgen.“ Die Koalition aus CDU und SPD hat nun bis 2026 ein kurzes Zeitfenster, in dem sie beweisen kann, dass ihr Inklusion und eine zeitgemäße Senior*innen-Politik wichtig sind.

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