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Richterhammer

Aktuelle Urteile zu Notenschutz und Assistenz

Bundesverfassungsgericht: Vermerk zum vorab vereinbarten Notenschutz im Abiturzeugnis grundsätzlich rechtmäßig

Am 22.11.2023 entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerden von drei ehemaligen Abiturienten aus Bayern. Diese wendeten sich gegen die Zulässigkeit eines in das Abiturzeugnis aufgenommenen Vermerks, der auf die Nicht-Benotung der Rechtschreibleistungen hinweist. Die Beschwerdeführer sahen darin eine Diskriminierung, die gegen das Grundgesetz verstößt. Die Richter stellten zwar fest, dass Menschen mit Behinderung – als solche wurde die Legasthenie vom Gericht ausdrücklich anerkannt – nicht benachteiligt werden dürften. Den Notenschutz-Vermerk im Abiturzeugnis hielten die Ver­fas­sungs­rich­ter*in­nen dennoch grundsätzlich für zulässig, sogar für „geboten“, um Chancengleichheit beim Zugang zu Ausbildung und Beruf zu sichern. Der Vermerk in den Abiturzeugnissen der drei Kläger muss trotzdem entfernt werden. Das Gericht befand, dass die Kläger im Vergleich zu Abiturient*innen mit anderen Beeinträchtigungen, deren Rechtschreibleistungen in der gymnasialen Oberstufe ebenfalls nicht gewertet wurden, diskriminiert worden seien. Bis 2010 erhielten nur Abiturient*innen mit Legasthenie einen entsprechenden Zeugnisvermerk in Bayern. Die Kriterien müssten aber für alle gleich sein. Das Gericht war im Übrigen überzeugt davon, dass die Wertung der Rechtschreibkompetenz in Deutsch und Fremdsprachen als “notwendiger Bestandteil der durch das Abitur vermittelten allgemeinen Hochschulreife“ wie auch die Ermöglichung des Notenschutzes (mit Zeugnisvermerk im Abiturzeugnis) bei Legasthenie nicht zu beanstanden seien. In der ausführlichen Begründung wird auch auf den Unterschied von Maßnahmen des Prüfungsnachteilsausgleichs (ohne Zeugnisvermerk) und zum Notenschutz (mit Zeugnisvermerk) eingegangen. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie begrüßte die Entscheidung grundsätzlich als wichtigen Schritt zur mentalen Entlastung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Legasthenie und als Unterstützung junger Erwachsener mit anderen nicht-sichtbaren Beeinträchtigungen im Kampf um chancengleiche Bildungschancen.

EuGH: Keine Altersdiskriminierung, wenn Menschen mit Behinderungen gezielt nach Assistent*innen in ihrem Alter suchen

Menschen mit Behinderungen dürfen die Suche nach einer Assistenz auf ihre Altersgruppe beschränken. Dies stelle keine rechtswidrige Altersdiskriminierung dar, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in seinem Urteil vom 07.12.2023 (Az. C-518/22). Der EuGH betonte, das deutsche Recht schreibe vor, den individuellen Wünschen von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der persönlichen Assistenz zu entsprechen. Deshalb sei im Sinne der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts dafür zu sorgen, dass sie allein darüber entscheiden können, wie, wo und mit wem sie leben wollen. Die sich aus der Beschränkung der Bewerber*innen auf eine gewisse Altersgruppe ergebende Ungleichbehandlung sei daher gerechtfertigt. Geklagt hatte eine ungefähr 50 Jahre alte Frau, die sich vergeblich um eine Assistenztätigkeit bei einer 28-jährigen Studentin beworben hatte.

Quelle: Tipps und Informationen Nr. 11/ 2023

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