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schwarz-weiß Darstellungen: Richterhammer (links oben) Gebäude nach Art eines mit gleichseitigem Dreieck als Dach, vier Säulen und drei Treppenstufen (rechts oben), Waage im Gleichgewicht (unten mitig

Finanzgericht (FG) Hamburg: Kindergeldrecht – Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung

Im vorliegenden Fall versagte die Familienkasse die Kindergeldzahlung für ein volljähriges behindertes Kind (Jahrgang 1987) mit der Begründung, es fehle an dem erforderlichen Nachweis der Behinderung. Die vorgelegten amtsärztlichen Gutachten wurden als nicht ausreichend erachtet, die verlangte amtlich festgestellte (Schwer)Behinderung – Erfordernis gemäß Dienstanweisung – lag nicht vor. Die Mutter klagte und erhielt Recht.

Das Gericht führte zu den Nachweispflichten in Bezug auf die Behinderung aus, dass es entscheidend darauf ankomme, ob eine Behinderung im Sinne der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliege. Da die Form des Nachweises der Behinderung nicht gesetzlich geregelt sei, könne eine Dienstanweisung des Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeldrecht (DA-KG 2022 A 19.2) nicht abschließend vorgeben, wie dieser Nachweis zu erbringen sei. Eine Behinderung könne somit auch, wie vorliegend, durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen oder Gutachten nachgewiesen werden. Des Weiteren dürfe eine Dienstanweisung Gutachter*innen nicht dazu verpflichten, in ihren Bescheinigungen oder Gutachten Stellung in Bezug auf eine ggf. vorliegende Behinderung abzugeben. Denn diese Rechtsfrage könne nicht durch die behandelnden Ärzt*innen oder Gutachter*innen abschließend beurteilt werden, da sie keine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen könnten. So könne eine Behinderung vorliegen, auch wenn im Gutachten nicht das Wort benutzt werde. Umgekehrt könne es aber auch sein, dass trotz Verwendung des Wortes “Behinderung” durch eine*n Sachverständige*n das Merkmal der Behinderung im Sinne der maßgeblichen Legaldefinition nicht erfüllt sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Auch im Hochschulkontext ergeben sich immer wieder Konflikte rund um Nachweiserfordernisse im Zusammenhang mit Behinderungen/chronischen Krankheiten, z.B. bei der Beantragung der Förderung über die Förderungshöchstdauer beim BAföG, aber auch im Zusammenhang mit Anforderungen von Prüfungsausschüssen an ärztliche Stellungnahmen in Bezug auf die Gestaltung von Nachteilsausgleichen. Das Urteil könnte auch in diesen Beziehungen für Impulse sorgen.

Urteil FG Hamburg vom 12.10.2023 (Az. 1 K 121/22)

Newsletter FG Hamburg 4/2023

Legaldefinition von Behinderung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX

Quelle: Tipps und Informationen Nr. 08/2024

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