Überspringen zu Hauptinhalt
Richterhammer

Rundschreiben der Berliner Verwaltung: Was ist mit dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“?

Catrin Wahlen, Sprecherin für Inklusion und Senior*innen der bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, wollte von der Senatsverwaltung wissen, welche Rundschreiben es zum Themenkomplex Familienpflege/Volljährige Menschen mit Behinderungen in Pflegefamilien gibt, welches aktuell gültig ist, wie die betroffenen Menschen davon erfahren und wann Rundschreiben der Verwaltung angepasst werden, wenn sich die gesetzliche Grundlage auf Bundes- oder Landesebene geändert hat.

Vorangegangen war die Anfrage einer Pflegemutter einer volljährigen Frau mit Behinderungen: Das Rundschreiben I Nr. 02/2009 enthält noch die Altersbeschränkung bis zum 31. Lebensjahr. Nach dieser Regelung erhielt ihre volljährige behinderte Pflegetochter Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie. Nachdem diese die Altersgrenze erreicht hatte, werde nach Auskunft des zuständigen Bezirksamts „für ein Jahr eine letzte Einzelentscheidung getroffen“, so die Aussage der Pflegemutter. Nur: Nach den aktuellen Bestimmungen zur Familienpflege nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (§ 113 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX in Verbindung mit § 80 SGB IX) gibt es diese Altersbeschränkung nicht mehr. Die Senatsverwaltung berichtet dazu, das Rundschreiben sei in der Fassung der Änderung vom 28. Juli 2010 „weiterhin nach Maßgabe des vorrangigen (neuen) Bundesrechts gültig“ und verweist auf Nr. 150 der Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH) vom 05.02.2020.

Nun bricht aber jedes Bundesrecht jedes Landesrecht. Diesen Grundsatz haben wohl viele von uns bereits in der Schule gehört. Man braucht also keine zwei Staatsexamina in Jura, um das wissen zu können. Aber im vorliegenden Fall bezieht sich die Verwaltung offenbar lieber auf ein Rundschreiben, das lediglich eine Auslegungshilfe darstellt und keinerlei Außenwirkung hat, als auf geltendes Bundesrecht.

Diese Situation ist für Catrin Wahlen ein unhaltbarer Zustand: „Auch die Verwaltung in den Berliner Bezirken hat sich an geltendes Recht zu halten. Sie kann sich nicht hinter einem Rundschreiben verstecken, das weit vor der Änderung des Bundesrechts veröffentlicht wurde, also überholt ist. Das gilt auch für kryptisch formulierte Verweise.“ Antragsteller*innen haben einen Rechtsanspruch auf diese Leistung. Eine Regelung aus „Kulanz“ sei daher hinfällig. Wahlen will ihre Möglichkeiten als Abgeordnete ausschöpfen, damit die Verwaltung auf allen Ebenen des Landes sich an die aktuellen gesetzlichen Vorschriften hält.

An den Anfang scrollen